Sonntag, 24. Januar 2016

Zwei Tage in San Marino


Jedes Land hat einen eigenen Post verdient, auch wenn es winzig klein ist. Zwei Tage habe ich hier verbracht auf den knapp 62 Quadratkilometern der ältesten Republik der Welt: Erst ein Tag auf dem Land, dann ein Tag in der Stadt.

Bevor ich mit dem Tagebuch anfange, gibt's kurz noch ein paar einleitende Infos. Wieso gibt es diesen Zwergstaat eigentlich und warum heißt er ausgerechnet San Marino?
Die Geschichte beginnt ziemlich früh, und zwar um das Jahr 300 im Römischen Reich. Ein Steinhauer aus Dalmatien namens Marinus soll in das Gebirge nahe Rimini geflüchtet sein, um der drohenden Christenverfolgung zu entgehen. Auf dem schroffen Berg Titano ließ er sich nieder und als sich mit der Zeit mehrere Leidensgenossen um ihn scharten, entstand hier eine erste christliche Gemeinschaft. Einige Jahre später hatte sich die Lage deutlich gebessert und eine römische Patrizierin, die nun selbst zum Christentum übergetreten war, schenkte ihm einfach den Berg, auf dem schließlich die Republik gegründet wurde.

Bildnis vom inzwischen heilig gesprochenen Sankt Marinus - oder eben italienisch San Marino.

Im Laufe des Mittelalters gesellten sich einige Ländereien um den Berg zum kleinen Land dazu und es wuchs ein wenig. Auf der anderen Seite wurde auch immer wieder versucht, San Marino zu erobern, was aber jedes Mal verhindert werden konnte. Somit konnte sich das Land bis heute halten und ist nun die älteste noch bestehende Republik der Welt.
Staatsoberhaupt sind hier immer zwei Leute auf einmal: Die Capitani Reggenti können nur gemeinsam agieren, werden vom Parlament alle halbe Jahre neu gewählt und dürfen erst nach frühestens drei Jahren erneut zur Wahl stehen. Ein System, das zu viel Macht bei einer Person verhindern soll... Regierungschef ist derweil der Außenminister.
Aber nun genug der Vorrede! Schauen wir uns mal um im Land.

Montag, 6. Oktober 2014 - Unterwegs mit einem Farmer
Gestern Abend bin ich auf der Farm meines Gastgebers Stefano angekommen. Ein viel beschäftigter Mann, der aber immer gern Platz für Reisende hat. Über Nacht habe ich dann erstmal meine ganzen Gerätschaften aufgeladen und im Internet schon mal angefangen mit dem Versuch, das Problem mit meiner verlorenen Ausrüstung in den Griff zu bekommen.
Zum Frühstück erzählt mir Stefano, wo er heute überall hin muss und was er so zu tun hat. Ich frage, ob ich irgendwo mithelfen kann und er meint, wenn ich will und wirklich genug Zeit habe, nimmt er mich dann im Auto mit. Okay, so wird's gemacht. Vorher gehen wir erst noch zu einer seiner Famhütten und sortieren aus ein paar Kisten mit Weinreben die schlechten aus.


Mein Gastgeber bei seiner Lieblingsbeschäftigung.

Schließlich geht's los. Mit quietschenden Reifen fährt Stefano um die Kurven der teilweise engen und steilen Straßen... etwas wild, aber es macht Spaß. Unterwegs erzählt er mir noch etwas zu den Orten, die wir passieren. Sofern er nicht gerade am Telefonieren ist: Er bekommt ständig Anrufe, scheint ja doch ein recht wichtiger und gefragter Mann zu sein. Da seine "Baustellen" quer übers Land verteilt sind, bekomme ich quasi eine kostenlose Führung rundherum, so war das gar nicht mal eingeplant... Kann halt nie schaden, jemandem etwas Hilfe anzubieten.

Unsere erste Haltestelle ist Borgo Maggiore. Am Fuße des Monte Titano gelegen ist der Ort mit seinen 6.631 Einwohnern der größte des ganzen Landes. Gestern gab es hier ein Weinfest, auf dem auch Stefano einen Stand hatte. Nun wollen ein paar Tische und Stühle aus seinem Weinkeller in einen Transporter geladen werden. Weinkeller gibt es sehr viele in Borgo Maggiore, dieser hier gehört seit 300 Jahren seiner Familie.


Und wir bleiben noch beim Thema Wein: Als nächstes geht's zur Ernte!
Auf dem Weg zu seinem Weinberg erzählt Stefano noch, dass es in letzter Zeit viele Probleme mit Rehen gibt... Die haben die Trauben nämlich zum Fressen gern. Vor Ort sehe ich dann aber nur ein paar Italiener und Albaner, die schon fleißig am Ernten sind. Man zeigt mir, wie's geht und ich mache für ein Weilchen mit.




Letzte Station für heute ist ein Grundstück an der Landesgrenze. Ein paar Stunden zuvor kam ein Anruf, dass ein Erdrutsch hier wohl ein ziemliches Chaos angerichtet hat. San Marino liegt in einem Gebiet mit relativ hohem Risiko für Bodenerosion und gerade jetzt, wenn nach einem mittelmeertypisch trockenen Sommer mal wieder Regen fällt, kann durchaus mal sowas passieren.

Hier sieht man nur einen kleinen Teil...

Die Bäume standen mal mehrere Meter weit oben am Hang, meint Stefano, während er fassungslos über den Haufen stapft. Dahinter sehen wir dann eine große, braune Lücke im sonst grün bewachsenen Hang und man sieht richtig die glatte Schicht, auf dem das Stück Land einfach runtergerutscht ist. Tun können wir hier jetzt natürlich nichts, außer den Schaden zu begutachten. Nun muss erstmal einiges geklärt und geregelt werden, was gar nicht mal so einfach ist, da der Schaden sich auch auf die italienische Seite erstreckt und damit ein zweites Land involviert ist. San Marino fühlt sich zwar eigentlich wie ein Stück Italien an, aber an solchen Sachen merkt man dann doch, dass es nicht ganz so einfach ist.
Eine unglückliche Angelegenheit... Derweil wachsen auf der Wiese daneben überall vierblättrige Kleeblätter. Ob das zu viel Glück auf einem Haufen war?


Abends schaue ich noch in einem Elektronikgeschäft in der Nähe vorbei, in der Hoffnung, dass es Ladegeräte für meine Kamera gibt... Leider Fehlanzeige.

Dienstag, 7. Oktober 2014 - Auf in die Hauptstadt
So. Heute schwinge ich mich wieder aufs Rad und es geht hoch in die gleichnamige Hauptstadt San Marinos. Hoch auf über 700 Meter in die pulsierende Metropole mit ihren... 4097 Einwohnern.


Schon von weitem sehe ich den steilen Osthang des Monte Titano, dort oben drauf liegt die Stadt. Rechts sieht man schon ein paar Häuser hervorlugen, links daneben sind die drei Gipfel mit ihren Türmen zu sehen.
Dieser Berg ist das Wahrzeichen des Landes und findet sich auch auf der Staatsflagge wieder. Deren Farben stehen übrigens einfach nur für den blauen Himmel und den Schnee auf dem Berg im Winter. Ebenfalls weiß-blau gehalten sind die ganzen Nummernschilder, die ich unterwegs so sehe. Mal eine nette Abwechslung.

Diese kurze Kombination reicht in einem Land mit knapp 33.000 Einwohnern wohl gerade so aus...


Auch die Seilbahn am Fuße des Titano ist weiß-blau. Aber die nehme ich nicht. Ab geht's auf die Rückseite des Berges, dort ist der Hang weniger steil und es schlängelt sich eine Straße bergauf. Unterwegs huscht ein Fasan vor mir über die Straße und es bieten sich erste Ausblicke aufs Umland. Immer weiter hoch...



Na also, da vorne hinter der Stadtmauer ist ja schon die Fußgängerzone. Weil radeln hier oben bei all den Treppen und steilen Gassen eher witzlos ist, stelle ich mein Vehikel erstmal an einem ungestörten Platz ab und erkunde zu Fuß.
Viele Läden mit teurem Krimskrams hier in den Gassen... Rolex, Gucci, Luis Vuitton, alles da. Ich brauche im Moment aber keine neue Handtasche und spaziere relativ unbeeindruckt weiter.
Auch andere leicht überteuerte Dinge gibt es hier zu kaufen. Zum Beispiel Geld:


San Marino ist zwar nicht Mitglied der EU, hat aber trotzdem eigene Motive für den Euro. In der Praxis finden sich diese Münzen jedoch eigentlich nur bei Sammlern. Zum Beispiel bei mir:

Motive sind natürlich vor Allem der Berg und seine Türme, aber auch der heilige San Marino und seine Basilika finden sich.

Münzen aus anderen Ländern werden auch angeboten... und hier wird's langsam ziemlich absurd und amüsant.

3,88€ aus Deutschland für 10€ verkaufen? Das funktioniert? Genial, muss ich auch machen.

Sein Geld mit Kunst zu verdienen, ist da irgendwie respektabler.


Inzwischen bin ich in der Nähe der Türme angekommen. Ich versuche eigentlich, mich zurückzuhalten und nicht ganz so viel wie sonst zu knipsen, da ich immer noch nix zum Akku laden habe. Aber ich fürchte, im Ergebnis fällt das gar nicht auf.


Während viele Touristen den nördlichen Turm besuchen, um einen der typischen Postkartenblicke zu erhaschen, steige ich obige Treppe hoch und bekomme ihn für Lau:


Kurze Zeit später trifft dort unten eine asiatische Reisegruppe ein, die irgendwie interessant zu beobachen ist. Da steht einer mit Fotoapparat und winkt ein Pärchen nach dem anderen ins Bild, damit auch jeder sein ganz individuelles Erinnerungfoto hat, das aussieht wie alle anderen.
Wie am Fließband: *Klick!* - Die Nächsten. - *Klick!* - Die Nächsten.
Mit Lächeln versucht's irgendwie auch keiner. ._.
Na ja, mal weiterschauen.



 Blick in Richtung Adria



Zum Schluss noch ein wenig in den Gassen der Altstadt herumstrolchen...





Ich verbringe hier dann doch mehr Zeit als geplant, was unter anderem daran liegt, dass ich mein Fahrrad nicht gleich wiederfinde. Die Position auf dem GPS-Gerät habe ich nicht makiert und stattdessen meinen Orientierungssinn überschätzt. Viele der Treppen sehen sich auch so ähnlich... Aber schließlich finde ich doch noch den richtigen Weg.
Ab geht's zurück auf die Farm, wo Stefano auf mich wartet. Und nicht nur er...


Seit gestern Abend ist ein zweiter Gast dazugekommen: Das hier ist Jens, 37 Jahre alt und auch aus Deutschland. Er will jedes Land auf der Welt sehen, so erzählt er mir stolz. "Cool, ich auch", entgegne ich einfach mal und wir verstehen uns auf Anhieb. Vier Jahre ist er jetzt schon in Europa unerwegs und nutzt dabei nur öffentliche Verkehrsmittel.
Auf dem Bild ist er gerade am Rechnen: Sein Hobby sind Einwohnerzahlen. Man zeige ihm irgendeine größere Stadt in seinem Atlas und er fängt an zu erzählen. Ich probiere es mit einer Stadt im nahen Osten, von der ich noch nie gehört habe und er sagt mir die gegenwärtige Einwohnerzahl, seine Prognosen für 2025 und 2050 und begründet, wie er in dem speziellen Fall darauf kommt. Bei seinen Berechnungen berücksichtigt er alle möglichen Faktoren, zum Beispiel auch neu gegründete Satellitenstädte, die mit der nächstgrößeren Stadt je nach Ausbreitungsgeschwindigkeit in naher Zukunft verschmelzen werden. Besonders in Asien ist da viel los. Auf seiner Seite Metropolen der Zukunft präsentiert er die Ergebnisse, ziemlich interessant das Ganze. (Aber verdammt, Junge, tu was für deine Rechtschreibung!)
Jens reist auch nach Süden und will Ende Oktober in Rom sein. Sein Freund will ihn dort treffen und hat für eine Woche lang eine Ferienwohnung gemietet. Ich soll doch auch kommen, sagt er. Cool! Das gibt doch ordentlich Motivation für die Weiterreise.
Ob ich Jens auch getroffen hätte, wenn der Zwischenfall mit meiner Tasche gar nicht gewesen wäre? Nach dem ursprünglichen Plan wäre ich nämlich schon vor seiner Ankunft wieder weg gewesen...

Der nächste Morgen
Zeit zur Abreise. Ich verabschiede mich von Jens, der heute noch zur Hauptstadt laufen will. Auf dass man sich wiedersieht in Rom!


Hier pflückt er seltsame Früchte von einem Baum in Stefanos Garten. Dieser klärt uns auf: Giuggiolo ist der Name, zu deutsch chinesische Jujube, wie mir das Internetz verrät. Gibt es heute im gesamten Mittelmeerraum, kommt aber halt ursprünglich aus China... Also genau wie die Orange. Im Ernst, könnt ihr nachlesen.
Jedenfalls sind die kleinen Früchte essbar, schmecken gut und machen sich hervorragend als Proviant.


Also dann: Tschüss, San Marino!

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