Dienstag, 19. April 2016

Reisetagebuch: Von Rom nach Neapel



[01. - 08. November 2014] Auf nach Süditalien! Für den Weg von Rom nach Neapel habe ich seit langem mal wieder eine weitgehend direkte Route ohne größere Highlights gewählt. Normalerweise könnte man diese Strecke in drei bis vier Tagen problemlos schaffen. Wenn man sich aber eine Erkältung einfängt und sie auskurieren muss, gestaltet sich das Ganze etwas zäher...

Samstag, 01. November 2014


Ein letzter Blick auf die Ruinen des antiken Forum Romanum, bevor ich mich auf den Weg mache. Hier lag einmal der Mittelpunkt des Lebens im alten Rom, letztendlich genauso vergänglich wie das Weltreich selbst. Auch damals ist man viel gereist und hat Handel getrieben; hatte dazu Hauptstraßen, die vom Stadtzentrum hinaus in die Ferne führten. Die bekannteste Römerstraße dürfte wohl die Via Appia sein, die in den Süden bis zum "Absatz" des italienischen Stiefels führte, von wo aus es nur noch ein Katzensprung bis nach Griechenland war.
Heute ist sie zumindest in Teilabschnitten noch erhalten, der schönste Part beginnt direkt im Stadtgebiet. Und diese Via Appia Antica dürfte wohl der einzig wahre Weg sein, Rom nach Süden zu verlassen.


Ja, das war früher mal eine große Hauptsraße und sogar die wichtigste Handelsstraße des römischen Imperiums. Heute sind hier nur noch Fußgänger, Jogger und Radfahrer unterwegs, während die ganzen laut dröhnenden Gefährte, die einen alten Römer wohl in Angst und Schrecken versetzt hätten, auf einer eigenen Schnellstraße namens Via Appia Nuova unterwegs sind.
Die alte Version ist da weitaus interessanter, hat teilweise noch die originale Pflasterung und ist links und rechts von altrömischen Ruinen gesäumt. Etwas weiter abseits gibt es manchmal auch größere Ruinenkomplexe, denn natürlich hatte man nahe dieser wichtigsten Straße auch einige Villen und Thermen gebaut. Aber auch ein paar imposante Grabmäler gibt es an diesem wohl längsten Museum der Welt zu sehen, denn einflussreiche Familien konnten so ihr Ansehen und Vermögen zur Schau stellen.





Ein paar Kilometer weiter im Süden, außerhalb des Stadtgebietes, wird die alte Via Appia nicht so gut in Schuss gehalten und man sieht doch recht deutlich, wie der Zahn der Zeit an ihr genagt hat. An manchen Stellen ist von der Pflasterung kaum noch etwas übrig. Schließlich geht sie nach 18 Kilometern in die neue Hauptstraße über und ich radle wieder im geschäftigen Straßenverkehr.

Die antike Via Appia ging damals fast bis nach Neapel, das zu der Zeit allerdings noch ziemlich unbedeutend war. Stattdessen bog die Straße zum wenige Kilometer nördlich gelegenen Capua ab, das noch im Jahr 100 die zwölftgrößte Stadt der Welt war. Heute ist es auf unbedeutende 33.000 Einwohner geschrumpft, während die Bevölkerung von Neapel sich glatt verhundertfacht hat...

Wie dem auch sei: Heute möchte ich noch nach Castel Gandolfo am Albaner See, wo sich auch die Sommerresidenz des Papstes befindet.
Als ich mich während einer Verschnaufpause umsehe, traue ich meinen Augen kaum:


Hängt da in einer dunklen Ecke ein 50€-Schein im Busch. Einfach so, und sieht sogar echt aus. Was zum Geier. Da ich sowieso gerade knapp bei Kasse bin, sind das praktisch 33% mehr Budget. Großartig! Jetzt reicht es doch auf jeden Fall bis nach Sizilien.


Oben in Castel Gandolfo gibt es dank Papstresidenz wieder einige exterritoriale Gebiete, die kein richtiger Teil von Italien sind, sondern wie der Vatikan dem Heiligen Stuhl gehören. Zum Beispiel der Parkplatz dort:


Da das Wetter fürs Erste stabil trocken bleiben soll, stelle ich heute kein Zelt auf und lege mich einfach mit dem Schlafsack in eine stille Ecke, wo's niemanden stört. Nur leider ist der Steinboden dann doch ziemlich kalt.

Sonntag, 02. November 2014

Hinter dieser wuchtigen Mauer verbirgt sich die päpstliche Sommerresidenz und deren Garten. Ein Gebiet, das größer ist, als der Vatikan selbst.
Allzu stark genutzt wird es momentan allerdings nicht, denn Papst Franziskus hat gar kein großes Interesse daran, hier viel Zeit zu verbringen.

Schön hätte er es auf jeden Fall, mit herrlichem Seeblick.

Leider weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass auf der anderen Seite des Sees das hübsche Rocca di Papa liegt und es auf dem Weg dahin einen seltsamen Straßenabschnitt gibt, auf dem alles bergauf rollt. Gravitationsanomalie oder optische Täuschung... leider nicht nachgeprüft.

Stattdessen rolle ich wieder schnurstracks dort bergab, wo es wirklich bergab geht, und zwar in die Ebene. Dort führt eine schnurgerade Straße bis nach Terracina.


Kiwiplantagen!





Am Rande der kleinen Stadt Terracina gibt's einen McDoof mit Internet-Hotspot, weshalb ich dort erstmal den ganzen Abend verbringe. Als ich wieder gehe, ist schon fast Mitternacht, die ländlichen Straßen sind menschenleer. Es ist Zeit zum Schlafplatz suchen gehen.

Erstmal jedoch lehne ich das Fahrrad an irgendein Einfahrtstor, um einen Becher Cornflakes zu löffeln. Fragt nicht, mir ist halt danach. Die optimale Idee war das jedenfalls nicht, denn als ich fast fertig bin, kommt plötzlich jemand aus dem Haus hinter dem Tor gesprungen: Ein dünner Opa, nur mit Schlüpfer bekleidet und... mit einem Gewehr in der Hand?!? Ach, du Scheiße.
Zwar hält er es nicht auf mich gerichtet,  aber es scheint echt zu sein. Schnell die restlichen Conflakes hinterkippen und den Becher wieder verstauen... Er wird unwirsch. Ist ja gut, bin schon weg! Eieiei...

Plötzlich merke ich, wie hinter mir im Dunkeln zwei Scheinwerfer angehen. Ein pechschwarzes Auto. Seit wann steht das denn da? Ich habe davon überhaupt nichts mitbekommen... Der Opa in seinem Schlüpfer (der so ehrlichgesagt trotz Wumme nach wie vor nicht besonders autoritär wirkt) öffnet sein Tor und das schwarze Auto fährt hinein. Man erinnere sich: Es ist Mitternacht. Habe ich etwa gerade einen ultrageheimen Mafiadeal aufgehalten?

Man weiß es nicht. Fest steht nur, dass ich das verlassene Haus nebenan lieber doch nicht als Nachtlager nutze und erstmal schnellstens ein paar hundert Meter Abstand nehme. Schließlich finde ich eine brachliegende Wiese ganz in der Nähe vom McDoof, wo ich mit ein paar Bäumen als Sichtschutz ganz gut zelten kann.

Montag, 03. November 2014
Es ist Morgen, ich wache auf und... fühle mich irgendwie ziemlich benommen. Ich schlafe wieder ein... wache irgendwann nochmal auf... komischer Druck auf den Ohren, verstopfte Nase. Tja, wie's aussieht, habe ich mir eine Erkältung eingefangen. Der kalte Steinboden vorletzte Nacht war dann wohl doch nicht so günstig.
Was tun? Erstmal ein paar Pillen einwerfen, die ich für so einen Fall mitgenommen habe. Zum Radfahren ist mir heute gar nicht zumute, also bleibe ich einfach hier. Der Zeltplatz ist günstig, ein paar Meter weiter gibt's Strom und Internet und bis zum Lebensmittelladen ist's auch nicht weit. Also ist erstmal alles da, was ich so brauche.

Leckere italienische Crostata aus dem Supermarkt. Keine Sorge, Gemüse habe ich auch gekauft.

Tagsüber sitze ich am Laptop und schnaube ganz viele Taschntücher voll, am frühen Abend krieche ich dann ins Zelt, schaue noch die eine oder andere Serienfolge und schlafe ganz viel.

Dienstag, 04. November 2014
So schön mein Zeltplatz auch ist, diese komische Pflanze hier drum herum geht mir auf den Zeiger:


Da latscht man friedlich in Sandalen durch die Wiese und hat die Socken mit diesen ultrastacheligen Pieksdingern voll, die man kaum wieder abkriegt. (Wer was an meiner Mode auszusetzen hat, klickt hier.)

Thema Erkältung: Es geht mir zwar besser als gestern, aber ich bleibe lieber noch einen Tag hier. Schicke E-Mails mit Bildern nach Hause, schreibe einen Artikel zum Drachentöterfestival in Bayern.

Mittwoch, 05. November 2014
Noch bin ich nicht ganz über den Berg, aber ich will erstmal weiterfahren. Kann ja schließlich nicht nur gammeln hier.


Heute sehe ich zum ersten Mal seit einem Monat wieder das Meer... Anfang Oktober war es noch die Adria bei Rimini, jetzt bin ich schon ein gutes Stück weiter südlich auf der anderen Seite des Stiefels.
Himmel und Meer sind in ein silbergraues Licht gehüllt an diesem Novembertag, der die italienische Küste so ganz anders wirken lässt, als man sie sich als Mitteleuropäer vorstellt. Eine ziemlich melancholische Stimmung. Einsame Strände, dichte Wolkendecke, schroffe Felsen und raue See - all das entfaltet seine ganz eigene Wirkung.







Unterwegs werde ich mal wieder auf mein weißes "Divieto di Cacchia"-Schild angesprochen, dass ich seit der Toskana hinten auf dem Gepäckträger geschnallt habe. Da steht auch "Provincia di Siena" drauf und die Leute fragen gern, ob ich denn tatsächlich den ganzen Weg von von dort aus bis hierher geradelt sei. Wenn sie dann hören, dass ich in Deutschland gestartet bin, ist das Staunen groß.
Der heutige Kandidat, wenn ich mich recht erinnere ein älterer Herr mit Hund, meint noch, dass man für sowas viel Stärke brauch. Nicht nur in den Beinen, sondern auch... "hier". Er zeigt mir in Ermangelung des englischen Wortes freudestrahlend den Vogel. Mentale Stärke meint er eben. Habe darüber ehrlichgesagt nach den ersten paar Tagen der Tour nie wirklich nachgedacht, fahre halt einfach drauflos...

Abends sehe ich meinen ersten Gecko in einen Briefkasten huschen, dann suche ich mir an einem halbwegs ungestörten Küstenabschnitt wieder einen Platz zum Zelten.

Donnerstag, 06. November 2014

 
Heute ist schon wieder so ein komischer Tag... und die Erkältung ist auch noch nicht ganz weg. Ich entscheide mich dazu, meinem Körper nach der gestrigen Etappe lieber doch noch etwas Ruhe zu gönnen und fahre nach einer weiteren Internet-Session nur am Abend noch um die 10 Kilometer weiter.
Unterwegs will ich erst das Zelt auf einem Strand hinpflanzen, sehe dann aber an kleinen Riffeln und verwaschenen Spuren im Sand, dass man dort nachts bei steigendem Wasserspiegel wohl ziemlich nass weden würde. Stattdessen zelte ich dann in einem Waldgebiet.

Freitag, 07. November 2014
Regen, Regen, Regen... Unetwegt tropft er aufs Zelt heute Morgen. Mal mehr, wenn es gerade wieder einen Schauer gibt, mal weniger, wenn der Wind die restlichen Tropfen von den Blättern schüttelt. Dadurch, dass ich im Wald bin, wird es hier drin nie wirklich hell und ich habe auch nicht die geringste Lust zum Aufstehen. Überhaupt bin ich unglaublich schläfrig, obwohl ich mich gestern recht früh hingelegt habe.
Als ich irgendwann mal wieder wacher bin und es ruhiger geworden ist, schaue ich auf die Uhr und... es ist halb zwei?!? Um Gottes Willen, es geht ja überhaupt nicht mehr vorwärts in letzter Zeit.

Auf der anderen Seite muss ich aber sagen: Ich bin wieder fit. Das viele Schlafen hat auf jeden Fall gut getan. Weit werde ich heute aber nicht mehr kommen, nach dem Zelt abbauen sind es nur noch drei Stunden bis Sonnenuntergang. Es ist der dritte bewölkt-regnerische Tag in Folge und der wohl tristeste bisher.


Reste eines altrömischen Viadukts.


Inzwischen bin ich in Kampanien angekommen, der ersten Region Süditaliens auf meinem Weg.

Samstag, 08. November 2014
Früh um 6 werde ich von Gewehrschüssen in der Ferne geweckt. Über den Feldern trohnt hier und da ein Hochsitz und die Dämmerung ist nun mal die Zeit der Jäger. Ein erster Blick nach draußen zeigt mir im Morgenrot einen aufgeklarten Himmel... endlich. Ich stelle das "Divieto di Cacchia"-Schild (Jagdverbot) nach draußen und schlafe noch ein Stündchen. Zufällig hören die Schüsse kurz danach tatsächlich auf.
Um 7 packe ich meine Sachen, heute will ich mal wieder ordentlich vorwärts kommen.



Seit ich die Grenze nach Kampanien passiert habe, wirkt die Welt um mich irgendwie deutlich desolater...
Der Süden Italiens ist ärmer, von der Wirtschaftskrise und einer deutlich höheren Arbeitslosigkeit geprägt. Rechts und links der Straße sieht man immer wieder unfertige Gebäude, deren Bau mittendrin abgebrochen werden musste und die nun mit einem VENDESI-Schild auf irgendeinen gnädigen Käufer warten. Die Grundstücke sind zugewuchert, am Straßenrand liegt Müll... Ehrlichgesagt hatte ich so einen deutlichen Kontrast zum Norden und auch so einen schroffen Übergang zwischen diesen beiden Regionen nie erwartet.

In Norditalien gibt es so ein paar spezielle Nationalisten, die den wohlhabenden Norden lieber als eigenes Land (Padanien) sehen würden und vom Süden gar nichts wissen wollen. Einer von denen meinte mal nur abfällig: "Das ist nicht Italien, das ist Afrika."
Nun halte ich von solchen Leuten nicht viel, muss aber an der Straße bei Monfalcone doch wieder an diesen Spruch denken. Denn aus irgendeinem Grund sind so gut wie alle Menschen, die ich hier rumlaufen sehe, Schwarzafrikaner. Ein erstmal recht erstaunlicher erster Eindruck, der aber der einzige seiner Art bleibt.

Später sehe ich immer wieder aufreizend gekleidete Damen am Rand der Hauptstraße stehen... Um diese Tageszeit schon? Du liebe Güte. Noch verwirrter bin ich dann, als teilweise noch irgendwelche desinteressierten Kerle und normal aussehende Leute daneben stehen. Und schließlich stelle ich fest: Dahinter ist immer ein unscheinbares Haltestellenschild.
Das sind ja gar nicht alles Nutten, die warten nur auf den Bus! Tja, man kann auch vorschnell sein mit seinem Urteil.

Was am Straßenrand aber nach wie vor ganz eindeutig zu identifizieren ist, sind die ganzen Bauruinen. An einer Stelle sieht man mitten in der Landschaft ein ziemlich hohes Gebäude links neben der Straße. Haben die da etwa tatsächlich...



Ja, haben sie. Auch dieses Hochhaus mitten in der Pampa ist eine Ruine, bisher die mit Abstand größte. Das Skelett war fertig: Treppen, Außenwände, die Scheiben für die Fassade, alles da. Aber dann wurde nie weitergebaut. Wie es wohl drin aussieht? Neugierig wie ich bin, nutze ich die Gelegenheit für eine Mittagspause und muss mir das erstmal anschauen.
Zumindest das Erdgeschoss, den Keller und die ersten paar Stockwerke nehme ich unter die Lupe. Theoretisch könnte man wohl auch die fertigen Treppen bis ganz nach oben steigen, aber das traue ich mich dann lieber doch nicht. Hier ein paar Eindrücke, ob ihr wollt oder nicht:








Besonders interessant ist ein Raum, den ich im ersten Stock entdecke. Hier geht einfach ein Schacht zig Meter bis ganz nach oben, keine Anzeichen irgendwelcher Stockwerke oder Löcher in der Wand. Jedem kleinen Geräusch, das man hier macht, folgt ein dröhnend lautes Echo. Habe mal ein kurzes Video aufgenommen:


.
Äh, ja. Nach diesem ungewöhnlichen Zwischenstop geht's dann jedenfalls weiter, den Golf von Neapel werde ich heute bestimmt noch erreichen.

Zwischendurch verlasse ich die große Hauptstraße, um mal wieder einen Blick auf Meer zu erhaschen und etwas weniger Verkehr um mich zu haben. Die Nebenstraßen werden schon in Ordnung sein und, äh...oh.




Ahaha, ist das herrlich. 1A-Wasserstraßen, so langsam lerne ich das Chaos hier zu schätzen. Gullys verstopft? Gar keine vorhanden? Ich habe keine Ahnung, aber das Ergebnis ist jedenfalls lustig. Na Hauptsache ich kippe hier nicht um mit dem Rad.

Dass es in Süditalien - zumindest in dem kleinen Teil, den ich bis jetzt befahren habe - so viele verlassene oder ungenutzte Grundstücke gibt, gestaltet sich abends durchaus vorteilhaft bei der Schlafplatzsuche. Kann gern so bleiben. Im Stadtgebiet von Neapel selbst möchte ich's aber auf jeden Fall vermeiden, draußen zu schlafen. Suche mir daher erstmal ein wenig außerhalb ein Plätzchen.

Nicht der Schlafplatz, aber mit Mario und Luigi versehen. Hier schert sich nicht jeder um Copyright.

Letztes Wegstück nach Neapel





Der erste Eindruck von Süditalien war zwar der eines ziemlich desolaten Landstriches voller verfallener, heruntergekommener Gebäude und Müll... Aber keine Sorge. Was da im Süden noch so wartet, ist einfach großartig.
Um Neapel selbst werde ich wieder ein wenig mehr Zeit verbringen, genug zu sehen gibt es.

-------> Fortsetzung folgt!

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