Sonntag, 14. Februar 2016

Reisetagebuch Tokana (Teil 2)



[15. - 19. Oktober 2014] Auf geht's in den Süden der Toskana! Nach dem relativ geschäftigen Norden geht es nun in die typische toskanische Hügellandschaft mit ihren kleinen, mittelalterlichen Städtchen. Und es gibt noch mehr zu entdecken: Unter Anderem schwefelige Thermalquellen und das berühmte Schwert im Stein...

Mittwoch, 15. Oktober 2014
Der Tag beginnt auf einer Sandbank am Flussufer: Hier am Arno, der durch Pisa fließt, habe ich geschlafen und checke nochmal die Lage mit dem GPS. Nur noch 10 Kilomter, bis der Fluss ins Meer mündet... Ich überlege noch, ob ich dort drüben vorbeischauen soll, aber da das Wetter nicht so rosig ausschaut, entscheide ich mich doch lieber für den direkten Weg nach Volterra.
Ich verlasse also Pisa in Richtung Osten, zuerst geht es noch ein Bisschen durch urbanes Gebiet und angrenzende Siedlungen. Als auf einem der Schilder für Partnerschaftsorte die Kleinstadt steht, in der ich jahrelang zur Schule gegangen bin, staune ich nicht schlecht.
Noch ist es relativ flach, aber ich weiß schon, dass sich das noch früh genug ändern wird.




Links und rechts der Straße kommen immer mehr Hügel dazu und nach einer Weile geht es auch für mich bergauf.



Da oben auf dem Berg liegt Volterra. Hier in der südlichen Toskana liegen die meisten Ortschaften irgendwo weit oben, wo man einen guten Ausblick aufs Umland hat. Für den Radfahrer bedeutet das natürlich einiges an Anstrengung. Als ich in der kleinen Stadt ankomme, ist es schon dunkel.


Als ich am Rande des zentralen Platzes mein Abendessen mampfe, lerne ich einen stockbesoffenen Italiener namens Valentino kennen, der alle halbe Minute nach meinem Namen fragt. In der nächsten Bar gibt er mir noch einen Whisky-Cola aus, während er sein Bierglas auf dem Kopf balanciert.

Donnerstag, 16. Oktober 2014
Besonders viel habe ich die Nacht nicht geschlafen und schon in der Morgendämmerung mache ich mich wieder auf den Weg. Ich streife durch die steinernen Gassen, als der Ort so langsam erwacht und erhasche noch einen Blick auf ein paar altrömische Ruinen, bevor ich wieder runter ins nächste Tal rausche.










Nach den ersten goldenen Sonnenstrahlen des Morgens zieht sich der Himmel wieder zu und so langsam fängt es an zu regnen. Nicht besonders stark, aber den Regenponcho brauche ich schon. Am Straßenrand steht eine einsame, aber einladend wirkende Gaststätte und ich überlege noch, ob ich mich unter deren Außendach ein Weilchen unterstellen soll... entscheide mich dann aber doch dagegen. Es ist noch früher Vormittag und wenn ich dort nichts essen will, sollte ich mich auch nicht hinsetzen. Weiter geht's.
...Und plötzlich fängt es an, wie aus Kübeln zu schütten. Also so richtig heftig deftig kräftig gewaltig. Verdammt! Umkehren, den Berg wieder runterrauschen und ab zur Gaststätte. Tut mir leid, aber das muss sein. Ab auf die Holzbank unterm Dach!

Als der Regen schließlich nachlässt, erschrickt mich die plötzliche Stille und ich schnelle hoch... Hä? Was, wie, wo? Ah, richtig. Ich hatte den Kopf auf den Tisch gelegt und bin wohl sofort eingeschlafen. Jetzt ist es schon um 11... und vor mir liegt eine Papiertüte mit zwei Brötchen rum... Erstmal richtig wach werden, das ist gerade alles etwas verwirrend hier.
Als ich so meine Gedanken sortiere, öffnet sich die Tür vor mir. Ein etwas älterer Herr mit einem selten offenen Lächeln steht da und grüßt freundlich. Er freut sich, dass ich die Toskana mit dem Rad erkunde und fragt, ob ich noch auf einen Kaffee reinkommen möchte. Er will mir einen ausgeben.
Es gibt doch nichts besseres nach dem Ausschlafen als einen frischen Capucchino. Und ein Stück Kuchen stellt er gleich noch dazu! Im Gegensatz zu den meisten seiner Landleute fragt er gar nicht viel, will nur wissen, ob's schmeckt. Und ob! Schließlich frage ich noch nach seinem Namen. Darf ich vorstellen: Elias.

Also falls ihr mal in der Gegend seid: Locanda il Boschetto heißt sein Laden. Bitte besuchen.

Und weiter geht's. Inzwischen scheint wieder die Sonne und mit der Zeit wird es relativ heiß. Das liegt aber auch an der Anstrengung, die Strecke ist ein ewiges hoch und runter. Schließlich sehe ich von weitem mein nächstes Ziel: San Gimignano.


Eine markante Abwechslung zu den anderen toskanischen Kleinstädten hat San Gimignano mit seinen Türmen. Zur Blütezeit der Stadt waren das einmal ganze 72 Stück, muss ausgesehen haben wie ein mittelalterliches Manhattan. Die Türme waren eine Art Statussymbol für die reichen Händlerfamilien: Jeder wollte ordentlich rumprotzen, aber für große Paläste war kein Platz. Heute ist die Altstadt Weltkulturerbe. Leider sind von den Türmen nur noch 15 Stück übrig; nachdem die Pest gewütet hat, war die Glanzzeit dahin.






Der Herr, der da an meinem Eis leckt, ist Sergio Dondoli, seines Zeichens zweifacher Gelato-Weltmeister. Ein sehr fotogener Mensch. Er ist besonders kreativ und experimentierfreudig, was das Mischen ungewöhnlicher Geschmäcker angeht: Ich gönne mir hier jeweils eine Kugel Brombeer-Lavendel und Esskastanie-Rosmarin. Ausgesprochen essbar!
Bevor ich weiterziehe meint er noch, ich soll ihm das Bild per Mail schicken und gibt mir seine Visitenkarte.




Schließlich komme ich noch in Poggibonsi vorbei, einer eher modern wirkenden Stadt, die zur Abwechslung mal wieder im Tal liegt. Persönlich am interessantesten finde ich eine kubistische (?) Skulptur auf einem der kleinen Plätze, die dort seltsam verloren und... irgendwie "andersweltlich" wirkte. Ließ sich fotografisch aber schlecht einfangen, das wirkt nur in echt so richtig gut. Ein Einheimischer meinte noch voller Stolz, dass es sowas wohl nur in Italien gibt. So Kunst im öffentlichen Raum. Ich ließ ihn in seinem Glauben.

Der Kubismuskumpel. Mit ihm würde sogar ich ein Selfie machen.


Als ich Poggibonsi verlasse, sehe ich im Straßengraben noch ein paar dieser typischen Jagdverbots-schilder liegen, die man in der ganzen Toskana rumstehen sieht. Und zwar so oft, dass sie mir fast schon auf die Nerven gehen. Da denke ich mir: Kaum etwas verbindest du so sehr mit der Toskana, nimmste eins mit. Gedacht, getan: Ich schnalle mir eins auf den Gepäckträger. Mal sehen, wie lange das noch mitfährt.
Abends geht's dann noch nach Siena, beziehungsweise zumindest schon mal bis zum Stadtrand. Im Dunkeln gibt es unterwegs logischerweise recht wenig zu sehen, nur eine angestrahlte Festung auf irgendeinem Berg. Die Schlafplatzsuche dauert ziemlich lange heute.

Freitag, 17. Oktober 2014
Siena ist trotz seiner geringen Größe (54000 Einwohner) eines der kulturellen Zentren der Toskana und befindet sich seit jeher in Rivalität mit Florenz. Besonders interessant ist die bis heute bestehende Einteilung der Stadt in 17 Contraden. Dabei handelt es sich nicht nur um Stadtteile, sondern um eine Art Nachbarschaftsgemeinschaften mit langer Tradition, in denen praktisch jeder jeden kennt. Alle Contraden haben einen eigenen Patron und Festtag sowie eine eigene Kirche, sie sind unterschiedlich wohlhabend, manche sind verbündet und andere verfeindet. Außerdem sind sie Gegner im berühmten Pferderennen Palio di Siena, das zweimal jährlich im Sommer auf dem zentralen Piazza del Campo stattfindet.
Heute morgen ist der Platz aber relativ leer.




Der gotische Dom von Siena aus Marmor, ähnlich schwarz-weiß gestreift wie der Dom von Florenz.

Nachdem ich mich ausreichend umgesehen habe, geht es wieder steil bergab in die Landschaft. Wald, Herbst, Eicheln, Pilze. Und auf den Straßen immer wieder diese alten Fiat Pandas, scheinen in Italien wohl sowas zu sein wie bei uns der alte VW Golf.



Der nächste interessante Ort liegt zur Abwechslung mal ein gutes Stück abseits von irgendwelchen Ortschaften. Von der Landstraße biegt ein Weg ab und Alleen aus Zypressen und Platanen markieren den Weg zur Abbazia San Galgano. Die alte Kirchruine ist von der Architektur her sehr ungewöhnlich für Italien.





Das ist aber nicht alles. In der Kirche wurde jahrhundertelang etwas ganz besonderes aufbewahrt, das man sich inzwischen in einer kleinen Kapelle auf einem Hügel nebenan anschauen kann:
Ein Schwert im Stein. Oder besser: DAS Schwert im Stein.


Der Legende nach soll ein Heiliger namens Galgano im Jahr 1180 sein Schwert als Zeichen der Abkehr von Waffen und Gewalt in den Stein gerammt haben, um ein Leben in Frieden und Nächstenliebe zu führen. Meine persönliche Alternativtheorie ist, dass ein Schmied die Klinge im glühenden und "weichen" Zustand in die schmale Ritze gerammt hat, wo es sich dann beim Abkühlen komplett festgesetzt hat. Zu welchem Zwecke? Einfach nur so... aus Scheiß halt.

Wie dem auch sei: Natürlich kommt einem hier direkt die Legende von König Arthur in den Sinn und man könnte denken, dass das Schwert im Stein eine Sache aus England ist. Stimmt aber nicht, sowas hat es dort in der Realität nie gegeben.
Untersuchungen zufolge ist das Schwert tatsächlich deutlich älter, als sämtliche historischen Bezüge zur Arthussage. Vielleicht hat ja mal ein Reisender in England von dem Ding erzählt oder die Info hat sich durch Briefe innerhalb der Kirche verbreitet. Somit ist es zumindest denkbar, dass Galganos Schwert praktisch das "originale" Exkalibur ist und die Geschichte inspiriert hat.  
(Damit läge hier auch indirekt der Ursprung für Legend of Zelda und das Masterschwert. Die Abtei geht ja auch glatt als Zitadelle der Zeit durch. Hihi.)

Selbstverfreilich haben im Laufe der Jahrhunderte genügend Leute versucht, das Schwert rauszuziehen und es ist tatsächlich nie jemandem gelungen. Einer hat's dann allerdings mal abgebrochen... Deshalb ist inwzischen eine Glaskuppel zum Schutz drüber.

Schließlich geht's noch ein wenig weiter, bis sich irgendwo am Waldrand ein Schlafplatz findet.

Samstag, 18. Oktober 2014


Nach genüsslichem Ausschlafen geht es durch den Wald mal wieder in eine Ebene und dort zunächst nach Grosseto. Ungewöhnliche Straßennamen hier: Via Canada, Via India... Ich bleibe erstmal für einige Stunden in dieser Stadt, denn ich habe einen Hotspot fürs Internet gefunden und kann mal wieder meinen ganzen elektronischen Krempel aufladen.
So ein Bisschen Ruhe nach den ganzen ereignisreichen Tagen ist mal ganz angenehm. Als ich weiterfahre, steht die Sonne schon recht niedrig. Sie geht ja auch immer früher unter jetzt im Oktober, langsam werden mir die Tage zu kurz... Ein Bisschen will ich aber noch weiter Richtung Osten.



Mit der Zeit wird es wieder stockdunkel: Wenn ich anhalte und die Leuchte vom Fahrrad ausgeht, sehe ich so gut wie nichts. Dass es im Zickzack viel und langsam bergauf geht, hilft der Funzel auch nicht gerade. Aber alles halb so wild, im Dunkeln kann's auch mal ganz nett sein. Ab und zu lassen sich Silhouetten von Zypressen ausmachen oder ein Glühwürmchen fliegt vorbei. Sehr ruhig und friedlich die Straße; was da in drei Stunden an Autos vorbeikommt, kann man an einer Hand abzählen. Da höre ich öfter mal ein Tier rascheln.


Ich fahre noch bis Scansano (ganz oben auf einem Berg natürlich) und lege mich zur Abwechslung mal ganz klassisch im Park schlafen. Wird in so einem kleinen Ort wohl kaum gefährlich sein.

Sonntag, 19. Oktober 2014

Genau so sieht es frühs immer nach dem Aufwachen aus: Ein paar Zentimeter scharfes Bild und für den Rest muss ich erstmal die Brille aufsetzen.

Ein Schild am Straßenrand erzählt mir, dass der Weg nach Satunia gesperrt ist. Da das Straßennetz hier ziemlich weitmaschig ist, würde ein Umweg aber sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Und dann die ganzen Hügel... Nee, da werde ich schon vorbeikommen mit dem Fahrrad.
Mehrere Kilometer später:


Na bitte, geht doch. Umweg gespart. Ab nach Saturnia, vorbei an Wiesen und Wäldern. Es ist ziemlich heiß heute.

Und das passiert, wenn man einen Stift findet und zu viel Zeit zum Rumblödeln hat...


Oh, hier wachsen ja sogar Kakteen! Ich pflücke meine ersten Kaktusfeigen. Später in Süditalien werde ich mich noch oft von den Dingern ernähren, aber hier sind sie erstmal komplett neu für mich. Habe zwar ab und zu mal welche im Supermarkt gesehen, aber nie gekauft... Also stellt sich natürlich spontan die Frage: Wie isst man die denn überhaupt? Na ja, im Zweifelsfall: Reinbeißen.
Keine gute Idee. Ich habe nämlich übersehen, dass auch die Früchte Stacheln haben. Ganz fein und dünn bei dieser Sorte, brechen leicht ab und verteilen sich überall, wo man sie nicht haben will. Beim Pflücken gar nicht gemerkt und jetzt tut mir die Gusche weh. Urgh. Für die nächsten Kaktusfeigen entwickle ich dann eine pieksfreie Spezialtechnik.
Ach ja: Von den Stacheln mal abgesehen schmecken sie ausgesprochen gut! Sehr... fruchtig.

Hier sehe ich schon von weitem mein heutiges Ziel: Die Thermalquellen von Saturnia, unten rechts im Bild. Der kleine Ort selbst ist oben links auf dem Berg. Wo auch sonst...

So langsam rieche ich auch, dass ich mich dem Schwefelwasser nähere. Giftig ist die ganze Angelegenheit nicht, vielmehr soll das Wasser verschiedene Heilwirkungen besitzen. Demensprechend sitzen auch einige Leute in diesen natürlichen Becken und in dem Bach, der sie speist. Verständlich: Sehr angenehm warmes Wasser (konstante 37,5 °C), das über mehrere Kaskaden von einer "Badewanne" in die nächste plätschert. Gerade in Zeiten vor warmem Leitungswasser muss das für die Menschen einfach herrlich gewesen sein.
Der Ort liegt ziemlich abgelegen mitten in der Landschaft, wird aber doch gern mal von Touristen aufgesucht. Besonders viele Leute kommen aber wohl auch direkt aus dem Umland und aus Saturnia selbst. Hin und wieder sehe ich jemanden mit dem Fahrrad ankommen, teilweise nur im Badmantel.
Also dann: Rein da!





Die roten "Würmchen" im Wasser sind Zuckmückenlarven. 
Arten in sauerstoffarmem Wasser sind meist rot.

Die Leute rechts im Bild sind keine Afrikaner, die haben sich nur mit dem Schlamm eingerieben.
Gesundheitliche Wirkung und so

Enspannung! Ich find's herrlich hier, auf jeden Fall eine Empfehlung wert. Es gibt noch eine Bar und Toiletten, aber man bezalt kein Eintritt. Einfach nur Baden in der Natur. Hinterher stinkt man halt eine ganze Weile nach Schwefel, aber das ist okay.
Wer es etwas luxoriöser haben will und kann, schaut im Hotelresort vorbei, das direkt um die vulkanische Quelle errichtet wurde. Mehr dazu und auch zu den Heilwirkungen hier.

Neben allen positiven Effekten muss man aber auch beachten, dass so ein Bad auch erstmal ziemlich auf den Kreislauf geht. Das merke ich, als ich hinterher noch hoch nach Saturnia will... Ich brauche eine ganze Weile. Ist aber nett dort. Knapp 300 Leute leben in diesem Ort, der laut der Legende von Saturn selbst als allererste Stadt in Italien gegründet wurde. Von wissenschaftlicher Seite her gilt er zumindest als die erste etruskische Stadt.




Und noch mehr Zeit zum Rumblödeln gehabt...

Es wäre bestimmt auch problemlos möglich, in Ruhe nachts in der Therme zu baden und dabei den Sternenhimmel anzuschauen... Falls man ihn bei dem zu erwartenden Dampf denn sehen würde. Jedenfalls gibt es dort nachts keine Beleuchtung, die irgendwie stören würde. Ich fahre trotzdem noch ein Stückchen weiter, zurück zur Hauptstraße und in den nächsten Ort.


Am Ende des Ortes finde ich ein Stück ungenutztes Land, wo sich das Zelt aufschlagen lässt. Ein kleiner Abhang neben der Straße. Während in der Nähe noch italienische Livemusik aus einem Hinterhof klingt, schlafe ich langsam ein.

Ich habe wirklich viel gesehen die letzte Woche und eigentlich hat die Toskana noch viel mehr zu bieten. Zum Beispiel die Landschaft Val d’Orcia um Pienza und Montalcino, welche die ganz typische Toskana-Ästhetik wiederspiegelt und direkt von der UNESCO zum Welterbe erklärt wurde.
Aber morgen soll's dann weitergehen in die nächste italinische Region: Nach Latium. In einer Woche will ich dann schon in Rom sein...

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