Donnerstag, 4. September 2014


Die Wenzelsstatue auf dem Wenzelsplatz. Maus drüber oder antippen zum Licht anknipsen!

Ja, das ist er.
Was tun, wenn man um Mitternacht in Prag ankommt und sämtliche Hostels nicht einmal mehr ein Ersatzbett frei haben? Einfach wach bleiben. Wenn die Hektik des Tages vorbei ist, die meisten typischen Touris schlafen und dafür ein paar gut gelaunte Nachtschwärmer unterwegs sind: Das ist die perfekte Zeit, so eine Großstadt und ihre Wahrzeichen zu erkunden. Im Anschluss kann man ihr dann in Ruhe beim morgendlichen Erwachen zusehen. Eine gute Idee. Im Nachhinein bin ich sogar froh, keinen Platz zum Schlafen gefunden zu haben.

Also bin ich bis zum Morgengrauen durch die Stadt gegeistert und habe hier und da ein Foto gemacht. Dabei habe ich mir auch so ein paar Orte ausgesucht, die man später bei Tageslicht nochmal für ein Vergleichsbild aufsuchen könnte. Eine kleine Handvoll Ergebnisse hier, wie auch beim Startbild einfach per Mouseover oder antippen wechseln:



Solche angestrahlten Statuen eignen sich eben besonders gut für sowas. Geben dem Bild eine menschliche Komponente, aber halten still bis ich wiederkomme. Im Hintergrund die Kirche St. Ignatius.



Eine der Straßen im Szeneviertel Žižkov, in der Nähe der ausgebuchten Hostels. In dem kleinen Café rechts ist die tschechische Graphic Novel Alois Nebel entstanden, die animierte Fassung liegt bereits auf der Festplatte und möchte angeschaut werden.

Diese beiden Aufnahmen sind nicht so richtig geworden, aber was soll's. Das hier ist das tanzende Haus, ein Bürogebäude am Ufer der Moldau. An dieser Kreuzung hier war übrigens auch nachts um drei ein unglaublicher Verkehr. Wie Dresden nachmittags um drei. Es gibt wohl gute Gründe, dass die Fußgängerampeln hier in der Prager Innenstadt nur auf grün schalten, wenn man den Knopf drückt - und dann muss man sich auch ziemlich beeilen, wenn man rechtzeitig drüben sein will.

Immer wieder werde ich von irgendjemandem auf englisch angesprochen, ob ich von hier bin und mich auskenne. Das vollbepackte Fahrrad wird wohl gar nicht registriert. Jedenfalls merkt man hier auch nachts, dass man in einer Weltstadt unterwegs ist: Im restlichen Böhmen spricht kaum jemand englisch, ab und zu begrüßt mich dort nur mal ein freundlicher Opa auf tschechisch...

So, ab jetzt geht's nur mit Einzelbildern weiter.


Keine Ahnung, wann das angefangen hat, aber inzwischen hat sich dieser Brauch, dass Liebende ein Schloss mit ihren Namen an eine Brücke hängen, wohl ziemlich weit verbreitet. So eine Ansammlung wie hier habe ich allerdings noch nie gesehen.

Und da wir gerade bei Verewigungen sind:



Die John-Lennon-Mauer. Hier wird seit den achziger Jahren beschmiert und besprüht, was das Zeug hält – inzwischen mit offizieller Erlaubnis des Malteser-Ordens, dem die Wand gehört. Ein Kunstwerk, dass sich ständig verändert und dem immer wieder etwas hinzugefügt wird, wenn man so will. Angefangen hat es mit Porträts von John Lennon und Beatles-Songtexten, inzwischen gibt’s hier alles Mögliche zu sehen. Wer möchte, kann auch einfach ein Zettelchen da lassen.


Und nun, obligatorisch:


Bild auf der Karlsbrücke, dem Wahrzeichen Prags. Eine über 500 Meter lange Fußgängerbrücke aus dem 14. Jahrhundert, die über die Moldau führt und beide Teile der Altstadt miteinander verbindet. Besonders markant sind auch die beiden Tore. Hier hinter dem Osttor zeichnet sich allmählich die Morgendämmerung ab, deswegen sind die Gebäude auch fast nur als Silhouette zu sehen. Ich radle vom Westtor aus über die Brücke, hier und da ist ein Liebespaar oder ein mehr oder weniger betrunkener Partygänger auf dem Heimweg zu sehen. Ist schließlich Freitag Nacht. Ich beschließe, hier auf den Sonnenaufgang zu warten und lade erstmal die Reserveakkus meiner Kamera wieder auf.


Blick von der Brücke auf die Prager Burg. Gibt’s auch auf der 50-Kronen-Münze zu sehen. So langsam neigt sich die Nacht ihrem Ende…

Wisst ihr, was immer wieder lustig ist, wenn man sich mit Stativ und Kamera in irgendeine historische Innenstadt stellt? Dauernd kommen irgendwelche Leute vor die Kamera gerannt und wollen unbedingt geknipst werden. Einfach so. Manche wollen dann das Bild per Mail geschickt haben. Zum Beispiel die hier:

Kateřina und Freunde. Offizielle Erlaubnis zum Posten hab ich. Danke schön!


Eines der vielen Ornamente an der Brüstung der Karlsbrücke. Hebräische Schrift? Ja, das musste damals ein Jude als Strafarbeit machen. An einem christlichen Kreuz, um ihn so richtig zu demütigen. (Und hier: Noch so ein Flitzer.) Wer sich gefragt hat, was die kleinen, schwarzen Punkte sollen:

Spinnen, yo.


Und einmal in die andere Richtung geschaut. Es wird heller...

Ich passiere das Osttor, um die Altstadt zu erkunden. In den ganzen verwinkelten Gassen kommt man sich vor, wie in einem Labyrinth, aber es ist ausgesprochen hübsch hier. Langsam geht die Sonne auf und die Plätze füllen sich mit den ersten Touristen. Diese Frühaufsteher sind besonders gut drauf, immer wieder sieht man jemanden Luftsprünge für ein Foto machen. Tageslicht beginnt die Straßen zu fluten und die Fassaden erstrahlen in ihren bunten Farben.






Ein Asiate, der die ganze Zeit einfach nur dasteht und Energie sammelt... oder sich selbst. Wie auch immer, er weiß schon, was er da tut.

Ich gehe zurück zur Karlsbrücke.


Mittlerweile ist es morgens um 7. Die Besoffenen sind den Fotografen gewichen und in der ganzen Altstadt patroullieren jetzt die Müllmänner mit ihren Riesensaugern, um Platz für die Hinterlassenschaften des nächsten Schwunges Touristen zu machen...


Wieder am Wenzelsplatz. Es ist 9 Uhr und die ersten Segway-Flitzer sind unterwegs. Die kenne ich auch aus Dresden… Am Rand der Fußgängerzonen finden sich Schausteller ein; lebende Statuen in auffälliger Montur, die sich für eine Spende bewegen. Gibt es irgendwie auch immer an solchen Orten. Die ganze Stadt füllt sich mehr und mehr mit Leben, ich rieche den Esensduft der Imbissbuden und höre Passanten in den verschiedensten Sprachen sprechen. Gruppen von Touristen sammeln sich zu Stadtführungen, ein paar Obdachlose holen sich ihr morgendliches Wasser an den Trinkwasserbrunnen. Ich auch.
Ein letztes Mal schaue ich bei der Karlsbrücke vorbei…


Und so sieht es dort mittags aus. Massentourismus par excellence. Das Ding ist gerappelt voll, mit dermaßen vielen Leuten habe ich nicht gerechnet. Man kommt kaum noch vorwärts, muss sogar schon mit Regenschirmen um sich schlagen! Oder so. Links und rechts hat's überall noch Maler und Musiker, die auf das schnelle Geld hoffen. Gut, die Musik ist nett, aber die ganzen Menschenmassen hier machen keinen richtigen Spaß. Ich realisiere, was es doch für eine brillante Idee war, die Brücke im Morgengrauen zu besuchen.
Ich glaube, das mache ich jetzt immer so in solchen Städten: Nachts auf Erkundungstour gehen und auf den Sonnenaufgang warten. Es sind wenige, dafür nette Leute unterwegs, man hat seine Ruhe und die Stimmung beim Sonnenaufgang ist doch irgendwie was ganz Besonderes. Kann ich nur empfehlen.
Nach einem Weilchen (es hat ca. zehn mal länger gedauert, als beim ersten Mal) komme ich wieder am Westufer an. Dort beschließe ich, vorerst genug gesehen zu haben und mache mich langsam wieder auf den Weg. Auf geht’s nach Pilsen…

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