Mittwoch, 1. Juni 2016



So, dann zeige ich euch heute mal die älteste ununterbrochen besiedelte Stadt der Erde.

Schon vor ganzen 9000 Jahren haben sich hier die ersten Menschen in Höhlen angesiedelt - damals in der Jungsteinzeit, als die Mammuts noch nicht ahnten, dass sie eines Tages aussterben würden. Im Laufe der Zeit hat man sich die Wohnungen noch fiefer in den Fels gehauen und die Eingänge zugemauert, später hat man viele noch mit häuserförmigen Anbauten erweitert. Die einzelnen Entwicklungsschritte sind heute alle noch vorhanden und geben in ihrem Zusammenspiel ein weltweit einmaliges Stadtbild ab.

Matera liegt am oberen Hang eines tiefen Canyons und lässt sich grob in drei verschiedene Stadtteile einteilen.
Als erstes bekommt man als Besucher die moderne Stadt zu Gesicht, die oben auf dem Plateau liegt und auch insgesamt den größten Teil ausmacht. Sie sieht im Großen und Ganzen wie ein ganz normales süditalienisches Städtchen aus, nur vielleicht etwas aufgeräumter als der Durchschnitt. Beige Fassaden und ziemlich viele Kirchen gibt es hier.



Interessanter wird es dann, wenn man sich der Schlucht des Canyons nähert. Am Hang direkt unterhalb der modernen Stadt und rund um einen markanten Felsvorsprung befindet sich die historische Altstadt, von den Italienern Sassi di Matera genannt.
Auch wenn die Häuser auf den ersten Blick ganz normal wirken, hinter ihnen erstrecken sich immer noch die Höhlen tief in den Fels.










Das da oben rechts im Felsen ist eine Kirche.

Wenn man den Hang entlang wandert, wird die Architektur immer ursprünglicher und man sieht die Symbiose zwischen Felsen und Häusern ganz deutlich:


Ganz am Ende des Weges liegt dann schließlich die ursprüngliche Altstadt, wenn man sie so nennen will. Inzwischen ist dieser Teil größtenteils verlassen.


Noch bis in die 1950er Jahre waren diese Höhlen besiedelt. Hier lebte der ärmste Teil der Bevölkerung unter einfachsten Bedingungen, oftmals schlief die ganze Familie zusammen mit ihren Nutztieren in einem Raum. Weil man diese Troglodyten als Kulturschande ansah, wurden sie schließlich vertrieben und in modernere Wohnblöcke umgesiedelt. Jetzt stehen die Höhlen leer... aber viele Eingänge sind noch offen, sodass man einfach mal reinschauen kann. Zumindest theoretisch, denn denn der größte Teil ist durch ein kleines Tor abgetrennt.
Aber auch davor sind ein paar alte Eingänge offen. Hier mein toller Schlafplatz:


Der noch bewohnte Teil nebenan wurde für Touristen und Ausflügler recht attraktiv gestaltet, es gibt Restaurants und Höhlenhotels. Manche der Felsfassaden werden nachts atmosphärisch angestrahlt.




Am nächsten Tag nach dem Aufstehen schaue ich nochmal durch das Tor auf die alten Höhlenwohnungen - von wo mir ein heimischer Opa auf seinem Morgenspaziergang entgegenkommt und dann einfach vor meiner Nase über die flache Mauer geklettert kommt, als wäre nichts gewesen.
...
Na wenn das so ist, dann sehe ich auch mal kurz nach.


Terassenförmig: Auf dem "Dach" der Wohnungen liegt immer ein Weg für die Leute weiter oben.

Aus dem "kurz" wurde dann der ganze Vormittag. Während oben auf einem Felsvorsprung jemand ein paar Lieder auf seiner Ukulele zupfte, bin ich bin einfach überall reingerannt, wo man reinkonnte. Jeder dieser Wohnungen ist einzigartig, manche sind miteinander verbunden und in anderen führen Treppen mehrere Räume tief in den Fels hinein.
Schon praktisch irgendwie: Du brauchst mehr Platz und willst ein neues Zimmer? Spitzhacke in die Hand und auf geht's. Regale, Abstellflächen, Wasserbecken und Betten haben sie sich auch in den Fels gehauen. Muss das eine Arbeit gewesen sein...




Der hinterste Teil ist komplett zugewuchert.

Seht ihr das kleine blaue Kästchen links neben dem Eingang? Ist eine Hausnummer.
 





Ein paar der Räume werden gelegentlich noch genutzt, in dem hier hatten wohl die örtlichen Kunststudenten ihre großen Modelle aus Pappmaschee zum Trocknen hingestellt.
In einer anderen Höhle wurde ich von einem Einsiedler begrüßt, der der sich gerade in einer alten Pfanne sein Mittagessen kochte. Der hatte allen möglichen alten Krams angeschleppt und es sich richtig gemütlich gemacht. Vom Paparazzo spielen habe ich aber Abstand gehalten.

Leider liegt in den meisten anderen Höhlen ziemlich viel Müll drin. Und ganz ungefährlich ist es auch nicht, denn oftmals haben sie ein Loch im Fußboden, das in einen recht tiefen und großen Hohlraum führt. Meist so tief, dass man ohne Hilfe wahrscheinlich nicht mehr rauskommen würde... Daher wohl auch das Tor. Möglicherweise wurden diese Öffnungen  früher mit einem Holzdeckel versehen und als Abort und genereller Mülleimer benutzt. Vielleicht waren sie auch Teil eines Entwässerungssystems, denn manchmal sind sie durch eine in den Boden gehauene Rille mit dem Eingangsbereich verbunden. Oder waren es manchmal doch nur Keller, in die man mit der Leiter runtergestiegen ist?

Ich frage mich, wie lange sich dieser Ort noch so in Ruhe erkunden lässt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das hier in der Zukunft noch stärker touristisch genutzt werden soll, man noch einige Eingänge abriegelt und die anderen mit Beleuchtungen versieht und herrichtet. Vielleicht auch nicht, denn man müsste recht viel restaurieren. Aber immerhin wurde Matera für 2019 als Kulturhauptstadt Europas gewählt, also könnte sich da durchaus noch was ändern.

Eine Höhlenwohnung, die ordentlich in Schuss gehalten ist, sieht übrigens so aus: Blick ins Museum


Als ich hier fertig bin, fahre ich zum Schluss noch auf die andere Seite des Canyons, um ein Panorama der ganzen Stadt zu sehen.

Hier ein Blick auf die historische Altstadt ...



 ... und links daneben sieht man oben die moderne und unten drunter die uralte Stadt.

Als Dreingabe noch ein billiges Komplettpanorama für die ultimative Übersicht: *KLICK*

Auch auf dieser Seite der Schlucht gibt es ein paar Höhlen, die aber deutlich natürlicher aussehen. Auch diese waren wohl vor sehr langer Zeit mal bewohnt... Und wenn man die Augen offen hält, findet vielleicht ein Andenken an noch länger vergangene Zeiten.



Hier war schon jemand da, 
als an Menschen, Höhlen oder überhaupt Festland noch gar nicht zu denken war.

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