Montag, 16. Februar 2015

Tag 25-31: Vom Alpenpass runter ins Tal, am Comer See entlang und dann durch die Ebene rüber nach Venedig.

Tag 25 - Sonntag, 31. August 2014 (Teil 2)  
Nachmittags, oben auf dem Splügenpass: Starker Wind pustet meinen Imbiss durch die Gegend, Nebel verschleiert die umliegenden Berge und Hügel, niedrige Temperaturen und gelegentlicher Regen machen den Ort endgültig zu unbequem zum Verweilen. Ab über die Grenze und runter ins Tal, irgendwo einen halbwegs netten Schlafplatz finden. Der Aufstieg ist geschafft und man kann sich einfach mal für eine ganze Weile gehen lassen und rollen. Serpentinen, Tunnel, Blicke ins Tal... Ich lasse einfach mal für ein Weilchen die Bilder sprechen.










In Campodolcino, dem ersten etwas größeren Ort nach dem Pass, mache ich es mir dann einfach in einer Bushaltestelle bequem. Mal wieder direkt an der Straße, aber es ist sicher und die Leute scheint's auch nicht zu stören. Im Gegenteil, wenn mal jemand vorbeikommt, gibt's meist ein freundliches "Ciao!".
Die Haltestelle ist voll mit Kritzeleien, werden wohl die üblichen Beleidigungen und Liebeserklärungen sein. In Bayern hätte ich jetzt zum Zeitvertreib Rechtschreibfehler korrigiert, macht sich mit mangelnden Italienischkenntnissen aber schlecht. Wie dem auch sei, die Handschriften sind hier irgendwie deutlich hübscher als zu Hause... so rund und fluffig.

Tag 26 - Montag, 01. September 2014
"Buongiorno!" sagt eine Oma, die auf ihren Morgenbus wartet. Ich packe den Schlafsack zusammen und schaue hoch in die Berge, die Gipfel sind noch wolkenverhangen. Mit einem Paar Handschuhe als Schutz gegen die morgendliche Frische rolle ich weiter bergab. Die Hände sind irgendwie braungebrannt, über drei Wochen im Freien machen sich eben doch irgendwie bemerkbar. Ein paar Ahornbäume verlieren ihr erstes Laub... Herbst? Bloß weg hier.
Aber vorher noch schnell den schwarzen Regenschirm mitnehmen, den irgendjemand im Busch hat stecken lassen. Vielleicht kann man den ja mal gebrauchen. (Und in der Tat wird er mich noch deutlich länger begleiten, als ich gedacht hätte.)

Haaalt, stop. Was ist das da rechts hinter den Büschen? Sieht verdächtig aus. Wo das wohl hinführt?

Ah, hier ging die Straße früher mal lang. Nett.

Und immer weiter begab, eine Kurve nach der anderen schlängelt sich der Weg um die Berghäuser. Ein paar Leute holen sich ihr morgendliches Wasser von den Quellen. Ein paar andere Leute, Männer im Anzug und Arbeiter, stehen auf einem Baugrundstück und diskutieren. Ich rausche dran vorbei und bin irgendwie froh, nicht dazuzugehören. Erinnert mich an den Aushilfsjob, den ich vorher hatte...

Schieferplatten als Dachziegel, sehr typisch für diese Region.


Schließlich komme ich in Chiavenna an, der ersten kleinen Stadt im Tal. Es gibt italienisches Eis, einen Hotspot und ganz viele geschlossene Geschäfte, da von eins bis drei Mittagspause ist. Noch ein bisschen umschauen... Hübsch hier, besonders die Häuserfassaden am Fluss.


Auf der Brücke fragt ein Bettler nach francos, meint wohl, ich bin ein Schweizer. Nach Geld fragen ist eine Sache, aber wenn der Bedürftige dabei genüsslich eine große Portion Eis schleckt, wirkt das schon irgendwie ein Bisschen dreist...
Während ich den Ort verlasse, begeget mir schon die erste via roma. Es führen eben doch alle Wege nach Rom. Weiter geht's mit einem Affentempo durchs Flusstal, denn zur Abwechslung bläst mir der Wind mal nicht ins Gesicht, sondern schiebt ganz kräftig an.

Ich hab' den Tag auf meiner Seite, ich hab' Rückenwind...


Und dieser Rückenwind ist bisweilen ziemlich heftig. Spätestens beim Anhalten und Pause machen wird das klar. Wenn da mal eine ordentliche Böe kommt, kriegt man keine scharfen Fotos mehr hin...

Diese öffentlichen Wasserhähne gibt es übrigens in ganz Italien. Großartige Sache.

Ich folge noch ein Stückchen dem Comer See, habe mich für das Westufer entschieden. Warum, hab ich vergessen. Jedenfalls blendet die Abendsonne ganz fürchterlich.
An einer Stelle höre ich jemand meinen Namen rufen, was allerdings wenig Sinn macht... Hinter mir dreht sich noch jemand andreres um, der wird wohl gemeint sein. An einem der ruhigen Radwege, die die Tunnel umgehen, schlage ich das Zelt auf.


"Alpenglühen", die letzten Strahlen der Abendsonne.

Tag 27 - Dienstag, 02. September 2014


Früh nach dem Aufstehen hält jemand am Zelt an, den ich kenne... Mickey, der Australier!? Ich war mir sicher, dass er schon längst über alle Berge ist. Habe gestern schließlich ordentlich rumgetrödelt. Aber er wohl auch. Er war es nämlich, der mir gestern Abend zugerufen hat, von einem Campingplatz aus. Tja... passiert. Ich habe noch viel zusammenzupacken, also fährt er weiter. Er hat einiges an Strecke aufzuholen und will an einem bestimmten Tag in Rom sein, vorher noch bei Cinque Terre vorbeischauen. War aber cool, ihn nochmal wieder zu sehen.
Zwei Minuten später: Noch ein bekanntes Gesicht hält an. Der Radler aus Zürich, mit dem ich noch oben am Pass geplauscht hatte. Zufälle gibt's... 

Mal in eine Gasse neben der Hauptstraße gelugt.

Auf den Straßen fallen immer wieder Vespas und Fiat Pandas auf, so ein paar Klischees müssen halt erfüllt werden. Viele der Autos hupen kurz, bevor sie um eine unübersichtliche Kurve fahren. Das macht ja glatt Sinn...
Mittags passiere ich das Dorf Brienno. Von der Straße aus führen links und rechts Treppen in schattige, labyrinthartige Gassen. Neugierig wie ich bin, muss ich die erstmal erkunden. Mehr hier:
 Blogpost: Italiens verwinkelte Gässchen (Video & Fotos)



Mittags ist der Ort wie leergefegt, später zwischen drei und vier kommen dann so langsam ein paar Leutchen mit Hunden zum Vorschein. Zwei Opas fragen auf italienisch, von wo ich denn mit dem bici hergekommen bin. Öhm... keine Ahnung, was Deutschland auf italienisch heißt. Alemania? Germania? "Ah, Germania!", wiederholen sie und nicken. Das "G" spricht man aber wie "dsch" aus. Jo, das kann man sich merken...


Im Allgemeinen ist das Wetter hier deutlich besser als oben am Pass, und den Palmen nach zu Urteilen auch generell deutlich milder als nördlich der Alpen. Schon krass, welchen Unterschied so eine Bergkette machen kann.
Abends komme ich dann in Como an, gelegen am südlichsten Ende des Sees. Viele Urlauber, wie fast überall hier am Wasser.

Einer dieser Urlauber hat im Außenrestaurant ein Stück Pizza übrig gelassen.
Das elektronische Preisschild war in einem Supermarkt in der Nähe, sehe sowas hier zum ersten Mal.


Schließlich geht es noch ein Stückchen weiter nach Süden. Erst eine Weile bergauf, raus aus der Talsenke des Sees, dann gemütlich bergab, bis ich auf einer Wiese das Zelt aufschlage.

Amüsant ist das Schild einer Schnellstraße in der Nähe:
Pferdekarren verboten ;_;
Tag 28 - Mittwoch, 03. September 2014
Ein Heuwender fährt die Wiese entlang. Zeit zum Aufstehen, das Zelt will ich lieber nicht gewendet haben.
Ein Supermarkt auf dem Weg bietet sämtliches Obst und Gemüse für einen Euro das Kilo an, und auch sonst recht billigen Krams. Ich decke mich ein für die nächsten Tage. Vor dem Eingang steht derweil ein Afrikaner und versucht, ein paar Kleinigkeiten zu verkaufen. Socken und... irgendwas, was ich nicht brauche. Das kommt in ganz Italien vor. Manchmal sind es stattdessen auch Bettler, die einfach mit einem Plastebecher (von McDonald's) dasitzen und warten.
Apropros McDonald's, einer liegt  auf dem Weg. Zeit für Strom und Internet! 

Die italienischen Filialen sind für den Reisenden deutlich praktischer als die deutschen: Wenn man sich einmal registiert hat, kann man den ganzen Tag lang surfen. Unbegrenzt. Man wird zwar immer nach einer Stunde aus der Verbindung gekickt, kann sich dann aber gleich wieder einloggen.
Ich schreibe noch ein wenig an den letzten 10% meiner Bachelorarbeit und bleibe, bis der Laden schließt. Um 1 gehen dann einfach die Lichter aus. Es sitzen noch einige Gäste an den Tischen, das ist wohl die sanfteste und efektivste Methode, sie (und mich) rauszuschmeißen.
Als ich schon auf der Straße bin, kommt ein Mitarbeiter rausgerannt und ruft, drückt mir eine Packung Salat in die Hand. Er wollte schon tagsüber mit mir reden, aber die Sprachbarriere...

Leider ist der Fraß fürchterlich, sobald er nicht mehr völlig frisch ist. Aber hey, geschenkt ist geschenkt!
Ich Zelte in der Nähe, versteckt hinter ein paar Bäumen. Inzwischen freue ich mich jedesmal richtig aufs Zelt, da hat sich seit der ersten Woche doch einiges geändert...

Tag 29 - Donnerstag, 04. September 2014
Müsli essen, im Internet surfen, weiterfahren. Durch die Ebene, flach wie ein Brett, immer ziemlich geradeaus. Nur ab und zu wird die Straße durch einen großen Kreisverkehr unterbrochen. Nichts ist mehr mit Palmen oder mediterranem Feeling hier, das kommt wohl bloß an den Seen mit ihrem milderen Klima zustande.
Im Gebiet um Milano (Mailand) ist alles mehr oder weniger zugebaut; man merkt nicht wirklich, wo ein Ort anfängt oder aufhört. Überall Zivilisation, Häuser, Supermärkte. Einige Leute, die ich bisher so getroffen habe, meinten, ich soll die Stadt lieber weiträumig umfahren, und das tue ich vorerst auch. Die Gegend gefällt mir nicht besonders.
Weiter östlich gibt es dann etwas mehr Felder und Ruhe. Und Kreisverkehre. Und Langeweile.


Irgendwann tauchen links in der Ferne wieder die Alpen auf. Ich fahre dann nachts noch etwas weiter, passiere die leergefegten Kreisverkehre im Uhrzeigersinn (weil ich's kann) und stelle fest, dass die Orientierung ohne Sonne irgendwie ein gutes Stückchen schwerer fällt.


Ich finde noch eine neue Socke und komme an einem Stadion vorbei, in dem gerade ein Radrennen zu Ende geht. Das war's dann für heute.

Tag 30 - Freitag, 05. September 2014
War wohl gestern zu lange wach, schlafe fast bis mittags...
Weiter geht's durch die langweilige Ebene. Zwischendurch mal auf irgendeinem Parkplatz Müsli löffeln, jemand wünscht mir buon appetito. So langsam sollte ich mal ein bisschen Italienisch lernen. Ist irgendwie schon doof, wenn man sich überhaupt nicht verständigen kann.

Die meisten Maisfelder in der Gegend sind vertrocknet. Ob die hier zu lange keinen Regen hatten?


Gegen Abend führt der Weg dann am Gardasee vorbei. Hier gibt es wieder ein paar kleine Palmen und auch Pinien, das Klima ist wohl wirklich milder.


Weiter geht's nach Verona. Der Weg ist gepflastert mit Nutten am Straßenrand. Schließlich gelange ich an einen Fluss, die Etsch, die mich in die Stadt zu dieser Brücke hier führt:

Ponte Scaligero heißt sie und wurde ursprünglich als Fluchtweg aus einer mit ihr verbundenen Burg gebaut. Es folgen weitere Eindrücke aus Verona...

Ich fotografiere gern Leute beim Fotografieren.




Die Arena. Aus dem Inneren höre ich eine Opernsängerin trällern.

Und überall Herzkritzeleien hier in der Stadt der Liebe...


Stadt der Liebe? Ja, denn Verona ist der Handlungsort von Romeo und Julia. Das ist auch der Grund, warum eine gewisse Fassade ganz besonders stark bekritzelt ist:


Das da hinten ist Julias Balkon, Pilgerstätte der Liebenden. Die Wände sind mit tausenden Zettelchen zugeklebt, ein Gerüst im Innenhof beherbergt hunderte Liebesschlösser. So viele auf einen Haufen hab ich noch nie gesehen.

Und raus aus der Stadt. Noch ein Weilchen nach Südosten, dann irgendwo mal ein Nickerchen halten.

Rechts: Schrein mit Madonnenstatue. Typisch in Italien.

Tag 31 - Samstag, 06. September 2014
Irgendwie hab ich die Nacht so gut wie gar nicht geschlafen. Um 3 oder so gab's ein Nickerchen neben der Landstraße, dann im Morgengrauen noch eins in Cerea... Muss reichen, ich will nach Venedig.
Wieder führen schnurgerade Straßen durch die flache Landschaft.
Ein etwas interessanterer Ort auf dem Weg ist Montagnana. Wie auch in Nördlingen ist die mittelalterliche Stadtmauer hier noch komplett erhalten, wenn auch nicht ganz so hervorragend. Dafür in einem komplett anderen Stil. Und wie der Zufall es will, findet gerade ein kleines Mittelalterfest statt.





Hm, also viel ist nicht los. Sie sind gerade noch bei den Vorbereitungen und es geht erst nachmittags los, erfahre ich von einem alten deutschen Ehepaar auf dem Marktplatz. Der Ehegatte hat einen Bart wie der Weihnachtsmann... wie auch immer, sie kommen schon seit Jahren immer wieder hierher und kennen sich also bestens aus. Gestern gab es hier in der Kirche noch ein mittelalterliches Gelage mit Originalrezepten, alten Sitten und Kostümen, sagen sie. Hört sich spaßig an.
Ich warte aber nicht bis Nachmittag, will morgen zur Regata Storica, der historischen Regatta in Venedig sein. Die beiden waren schon ein paar mal dort und geben mir einen Tip: Ich soll mir schon möglichst frühzeitig, so ab um 11, einen Platz zum Zuschauen suchen und dann dort bleiben. Am besten am Ende einer der Seitengassen, die in den großen Kanal münden. "Oberaffengeil" sei das Ganze, fügt Santa noch hinzu. Na, das hoff ich doch.

Das rechts nennt sich Focaccia. Komisches Ding.

Entlang der Straße sieht man immer wieder italienische Flaggen wehen, manche sind allerdings schon so ausgebleicht, dass sie wie die Irische aussehen. Die letzte größere Stadt vor der Küste ist dann Padova, dessen Straßenverkehr ich mir am Flussufer größtenteils erspare.



Langeweile an der Ampel? Einfach ein paar sinnlose Fotos machen.

Als sich der Verkehr so langsam wieder verdichtet, weiß ich: Bis Venedig ist es nicht mehr weit. Eine riesige Menge Autos strömt nach Mestre, der Küstenstadt vor Venedig, ich mittendrin im Flow. Macht schon Spaß, besonders mit passender Musik im Ohr. Als ich dann durch bin, gibt es endlich dieses Schild zu sehen:

Die Straße hier führt auf die Ponte della Libertà (Brücke der Freiheit), welche auf fast 4km Länge vom Festland nach Venedig in die Lagune führt. Auf der Brücke lege ich mich dann auch einfach schlafen, am Rand des Fußweges. Es fahren zwar immer wieder Autos vorbei, aber ich liege im Schatten der Leitplanke und der Lärm stört bei ausreichender Müdigkeit überhaupt nicht. Leute kommen nachts auch keine Vorbei. Nicht mal Mücken behelligen mich, da ich weit genug vom Festland praktisch mitten auf dem Meer bin.


In Venedig werde ich dann erstmal für eine Weile bleiben...

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