Montag, 2. Februar 2015

Reisetagebuch: Schweizer Alpen

Mit der Übersichtlichkeit ist das so eine Sache...

Tag 20 bis 25 - Die Alpen vom Bodensee bis zur italienischen Grenze. Zumindest in der zweiten Hälfte diesmal mit weniger Text und mehr Diashow. Am Anfang habe ich noch ein Stück Österreich und Liechtenstein mitgenommen, das meiste war dann aber aber schweizer Territorium.

Tag 20 - Dienstag, 26. August 2014 (Teil 2)
Es ist Mittag, als ich die Grenze nach Österreich überschreite. Der Regen hat zwar netterweise eine Pause eingelegt, aber da die Wolken da oben nach wie vor nicht sonderlich vertrauenserweckend aussehen, lasse ich lieber die Plastiktüte um meine Lenkertasche gestülpt. Muss ja nicht alles durchweichen.


Noch ist die Landschaft flach, aber dank weiterer Regenschauer und starkem Gegenwind macht das Radeln nur sehr bedingt Spaß. Muss man sich eben immer mal für ein Weilchen unterstellen. Am Kiosk Twinnie und Jolly holen, österreichische Wassereisspezialitäten. Stand sowieso auf dem Plan.

Besonders lang ist mein Weg durch den westlichsten Zipfel dieses Landes nicht: Ein Stückchen am Bodensee entlang und dann schnurstracks weiter nach Liechtenstein.




Ich bin hier auch nicht der einzige auf der Durchreise durch das mit Gewerbegebieten gespickte Grenzgebiet; deutsche und schweizer Nummernschilder sind fast genauso häufig wie die einheimischen. Ansonsten fallen noch überall Wahlplakate auf, da hier im Bundesland Vorarlberg gerade Kommunalwahlen sind. Die Parteien erinnern mich irgendwie an unsere deutschen...
Stur folge ich der Hauptstraße. Sonderlich weit kann man nicht sehen, der Regen ist stark und die Wolken sind niedrig. Immer geradeaus, dem Wind entgegen, dabei langsam aber sicher immer nasser werden. Der Regenponcho flattert wie wild. Als ich endlich mal wieder an einem Unterstand vorbeikomme, halte ich an und schreibe irgendjemandem eine SMS... Ein paar Minuten später schaue ich dann wieder vom Handy auf, es hat es inzwischen aufgeklart und plötzlich sehe ich die ersten riesigen Berge der Alpen vor mir aufragen.

Nachmittags passiere ich dann die Grenze zu Liechtenstein. Das Fürstentum ist nicht Teil der EU und hier gibt es tatsächlich mal ein paar Zollbeamte, die einen in der Regel allerdings wortlos durchwinken.



Ein paar Kilometer weiter geht es dann über die offene Grenze zum vierten Land für heute: Der Schweiz. In Buchs, wenige hundert Meter neben Liechtenstein, habe ich jemanden gefunden, bei dem ich für zwei, drei Nächte bleiben kann. Unser Treffpunkt ist ein Sprachcafé: Dienstagabends steht hier auf jedem Tisch eine Landesflagge und drumherum versammeln sich Leute, um sich in der jeweiligen Sprache zu unterhalten. Heute sitzen am Deutschtisch neben Brigitt, meiner Gastgeberin, noch eine Italienerin und ein Japaner aus Kyushu, der von den Vulkanen in seiner Heimat erzählt.

Tag 21 - Mittwoch, 27. August 2014
Nach dem Frühstück ist Geldwechseln angesagt - ich könnte ein paar schweizer Franken gebrauchen. Da die Banken hohe Gebühren verlangen und auch Schweizer ab und zu mal ein paar Euros gebrauchen können, erledige ich das gleich bei Brigitt. 70 Franken für 58 Euro, nach dem aktuellen Wechselkurs.
Den Rest des Tages bin ich dann damit beschäftigt, Liechtenstein bzw. insbesondere Vaduz und Umgebung zu erkunden. (Und Geocaches zu finden.) Mehr Eindrücke und Wissenswertes gibt's hier:






Abends wühle ich mich dann durch Karten und Infos im Internet, um die Alpenquerung ordentlich zu planen. Letztendlich wähle ich eine weitaus kürzere Route, als ursprünglich vorgesehen, denn ich will an einem bestimmten Datum in Venedig sein...
Geradewegs nach Süden und über den Splügenpass soll's gehen, ist sogar ein Gletscher in der Nähe, zu dem ich noch hochwandern könnte. Mit einer unbemannten Schutzhütte davor als Übernachtungsmöglichkeit.

Tag 22 - Donnerstag, 28. August 2014
Ruhetag. E-Mails schreiben, am Blog werkeln, nachmittags dann doch nochmal rausgehen. Das Wetter ist einfach zu schön... Na ja, zumindest zeitweise.


Die folgenden Bilder sind aus Werdenberg, der wohl kleinsten Stadt Europas: Liegt gleich neben Buchs, hat nur knapp 60 Einwohner und rund 40 Häuser, aber besitzt trotzdem historisches Stadtrecht. Währenddessen gilt drüben in Liechtenstein kein einziger Ort offiziell als Stadt, selbst wenn er ein paar tausend Einwohner hat.




  
Tag 23 - Freitag, 29. August 2014
Und weiter geht's, bei bewölktem Himmel den Rheintalradweg entlang. Überall gibt's Quellen mit frischem Gebirgswasser und reife Weintrauben, besonders viele um den Ort Maienfeld. Die Architektur hier erinnert mich irgendwie an Südtirol in Norditalien, allerdings liegt der Alpenhauptkamm erst noch vor mir. Bisher war's noch relativ flach.

Croissants heißen hier Gipfel. Warum auch immer.


In einem der Dörfer treffe ich auf einen Kollegen: Noch jemand, der mit Fahrrad und zwei Ortliebtaschen unterwegs ist. Edgar, Religionslehrer aus dem Allgäu, radelt in seiner Freizeit gern mal ein paar Tage durch die Alpen. Das Fahrrad sei doch das beste Gefährt, um die Welt zu erkunden, meint er. Jupp. Ab Chur will er dann allerdings einen Zug nehmen. Zusammen radeln wir ein paar Kilometer bis zum Bahnhof der kleinen Stadt, die übrigens als die ältestse der ganzen Schweiz gilt. Zum Abschied wünscht er mir noch eine unfallfreie Fahrt, einen Schutzengel. Jo, danke!


Ich schlendere noch ein wenig durch die Innenstadt. Überall spielen Straßenmusiker, in der Sonne flitzen Kinder auf ihren Cityrollern rum. Die Dinger scheinen in der Alpenregion ganz besonders beliebt zu sein, sehe sie hier ziemlich oft.
Als ich die Stadt verlasse, kommt der Verkehr auf der Hauptstraße erstmal zum Erliegen, da eine Kuhherde in aller Ruhe rüber auf die nächste Weide marschiert. Währenddessen decke ich mich mit Äpfeln vom Baum am Straßenrand ein. Die sind hier schon deutlich reifer als die in Böhmen vor zwei Wochen. Und kostenloses Obst ist immer willkommen, in der teuren Schweiz sowieso.

Noch ein Stück am Rhein entlang... Gegen Abend dann links hinter dem Bahnhof da hinten einem Waldweg folgen. Plötzlich: Wolkenbruch. Ich rette mich zurück zum Bahnhof und finde dort den wohl perfektesten Schlafplatz, den man sich in der Situation vorstellen kann: Ein Wartekämmerli, beheizt, trocken, mit zwei langen Bänken und genug Platz fürs Fahrrad. Nur meine Milchflasche bleibt draußen, die Kälte der Nacht funktioniert ganz gut als Kühlschrank.


Natürlich wird nicht sofort geschlafen, es ist noch nicht spät und es kommen immer mal wieder ein paar Leute vorbei. Während es noch regnet, kommt ein junges Paar reingerannt. Beide machen einen ziemlich traurigen Eindruck, er nimmt sie auf den Schoß... fast eine Stunde lang sitzen sie einfach da, wechseln kein Wort, sind wohl in Gedanken aber froh, beieinander zu sein. Sehr melancholische Stimmung... Ich ess' derweil ein Müsli. Als der nächste Zug im Anmarsch, gehen sie raus und umarmen sich ganz fest, das Mädel muss einsteigen. Plötzlich fühle ich mich fast einsam.
Nicht lange allerdings, um die Ecke kommt ein Schweizer, der fragt, ob er von meinem Handy aus seine Frau anrufen kann. Sie macht sich nämlich sonst sorgen und sein Akku ist gerade leer. Zum Dank drückt er mir einfach so zwei Franken in die Hand, das wäre bei den Tschechen wohl eine Wochenladung Brötchen oder so.
Sonstige abendliche Beobachtung: Wie's aussieht, muss man als Fahrgast hier am Bahnhof eine Haltewunschtaste drücken, wenn man den nächsten Zug nehmen will.

Tag 24 - Samstag, 30. August 2014
Das Wetter ist wieder besser. Weiterfahren und im Lidl einkaufen ist angesagt. Das dürfte der wohl billigste Supermarkt der Schweiz sein, auf einen Ausländer wirken die Preise hier trotzdem noch ausgesprochen hoch. Aber auch sonst fällt auf, dass das hier keine deutsche Filiale ist: Durchsagen wie "Bitte Kasse drü!" und Produktnamen wie Süssmost, Poulet und Sultaninen (statt Apfelsaft, Hühnchen und Rosinen) gibt es nur in der Eidgenossenschaft.
Einen Preisvergleich mit Deutschland und sonstiges Palaver zum Geld gibt's hier:
 
Mittagessen! Nudeln sind noch von Brigitt, der Ketchup lag am Straßenrand.
Das komische Grünzeug ist Kapuzinerkresse, davon kann man auch die Blüten essen.

Langsam aber sicher geht's bergauf. In Cazis laufen überall Nonnen rum, weil hier ein Dominikanerinnenkloster rumsteht. Sonst gibt's keine besonderen Vorkommnisse zu vermelden.
Zumindest bis ich den landschaftlich wohl eindrucksvollsten Teil dieses Abschnittes erreiche: Die Via Mala. Der Weg führt entlang einer tief eingegrabenen Schlucht, vorbei an riesigen Felsen und durch zahlreiche Tunnel (in denen es übrigens ziemlich laut ist).








Wenn man dann in Zillis, dem ersten Ort nach der Schlucht ankommt, befindet man sich immerhin schon in 945 m Höhe.

Ich mag lebensgroße Statuen. Die kann man so wunderbar dekorieren.

Und hier haben wir mal wieder ein zweisprachiges Schild: Unter der deutschen Ortsbezeichnung steht noch eine auf Rätoromanisch. Diese Sprache wird nur in der Schweiz gesprochen, genauer gesagt von ca. 60.000 Leuten im östlichsten Kanton, Graubünden. Ich durchquere gerade zwar nicht das Kerngebiet der Verbreitung, aber einen der vielen Dialekte gibt es auch hier.


Die Kirche St. Martin in Zillis hat wohl sehr hübsche Deckengemälde, aber da wegen Bauarbeiten ein Großteil nicht zu sehen ist und man trotzdem 5 Franken Eintritt will, ignoriere ich das Ganze.


In der Abenddämmerung überlege ich noch, ob ich mich auf einer Felszunge unter der Autobahnbrücke schlafen lege, fahre dann aber doch ein Stückchen weiter. Schließlich finde ich eine Hängebrücke, die in ein Waldgebiet führt. Da sollte ein gutes Plätzchen zu finden sein.


Regen tröpfelt mir aufs Haupt, obwohl direkt senkrecht über mir klarster Sternenhimmel funkelt... Muss man wohl nicht verstehen. Blitzen tut's auch, aber das kommt drüben von der Autobahn. Da haben es wohl manche etwas zu eilig.
Unter einem Felsvorsprung schlage ich dann mein Zelt auf.

Tag 25 - Sonntag, 31. August 2014 (Teil 1)


Erste Amtshandlung nach dem Aufwachen: Ein paar Spinnen aus den Zelt schubsen. Die gibt es hier sehr reichlich und waren auch der Grund, warum ich mich nicht einfach im Schlafsack hingelegt habe. Dann noch ein paar Himbeeren pflücken. Der Wald sieht ganz hübsch aus mit all dem Moos.


"Eisloch" steht nicht zum Spaß auf dem Schild: Wenn man vor diesem Höhleneingang steht, kommt einem eiskalte Luft entgegen. Solche Orte gibt es ab und zu an solchen Steinhalden in den Alpen. In Felsspalten oben am Hang strömt Luft, die sich nach unten bewegt und im Fels stark abkühlt. Was dann dort rauskommt, ist zumindest deutlich (mehr als 10 Grad) kälter als die Umgebung.

Über die Hängebrücke geht's zurück auf die Hauptstraße, am anderen Ende steht jemand mit vollbepacktem Fahrrad und winkt mir zu...

Gestatten: Mickey Boulton aus Westaustralien. Sein Plan: Über die Alpen und weiter bis nach Rom. Ein wenig vom exotischen und ungewohnt dicht bevölkerten Europa sehen. Außerdem gibt es solche hohen Berge wie hier in Australien schließlich nicht. Er will auch über den Splügenpass, also tun wir uns für ein kurzes Stück zusammen.

Wie zum Geier mähen die an solchen Hängen den Rasen?

Vor dem Pass will Mickey sich noch mit einem Mittagessen stärken. Eigentlich stand bei mir bis zur Grenze gar kein Essen mehr auf dem Plan, aber er gibt mir einfach so eine Wurst mit Pommes aus. Cool, da sag ich nicht nein! Danke!
Mit gefülltem Magen gilt es dann die letzte große Herausforderung für diesen Abschnitt zu meistern: Hoch auf über 2000 Meter, immer stur bergauf...

Blick zurück auf das Dorf Splügen, nach dem der Pass benannt ist.

Mickey schaltet ein paar Gänge runter und fährt... immer weiter bergauf, langsam aber ohne anzuhalten. Es klappt besser, als er dachte. Ich für meinen Teil weiß gerade nicht, ob es an mir oder meinem Fahrrad liegt, aber ich muss nach einer kurzen Weile einfach schieben. Ebenso stetig bergauf, nur ein Stück langsamer. Ab und zu ein Blick zurück ins Tal um zu sehen, was man schon geschafft hat...




Währenddessen radelt Mickey unbeirrt weiter, denn wenn man einmal seinen Groove gefunden hat, sollte man auch lieber dabei bleiben. Nach einem Weilchen verliere ich ihn schließlich aus den Augen. Das liegt allerdings nicht nur an der Distanz, weiter oben wird es nämlich langsam ziemlich wolkig...




Ab und zu dringt das Glockengeläut einer Kuh durch den Nebel. Ich zähle die Kurven; das gibt ein wenig Motivation, wenn man sich langsam aber sicher der Gesamtzahl 18 annähert. Ein letzter Blick zurück ins Tal, als es gerade etwas aufklart...


...und es ist geschafft.


Oben. Endlich. Ha.
Der Splügenpass: 2115 Meter in der Höhe und gleichzeitig die Grenze zu Italien. Mickey ist nicht zu sehen, er wird schon runtergefahren sein. Was ausgesprochen verständlich ist, denn hier oben ist es gerade
1. saukalt
2. extrem windig
3. regnerisch.

Ein Mix, der keinen großen Spaß macht. Und mit meiner ursprünglich geplanten Gletscherwanderung sieht es wohl auch nicht gut aus. Ein paar Minuten später kommt ein Radler aus Zürich oben am Pass an, ebenfalls mit Reisetaschen ausgestattet. Er meint, dass das Wetter hier oben und in den schweizer Alpen wohl die nächste Zeit auch nicht besser wird. Ein paar andere Leute auf der Durchreise sagen das Gleiche...


Kurz und gut: War wohl nix mit dem Gletscher. Ärgerlich. Aber kann man nix machen. Also dann, runter geht's! Auf nach Italien! Hoffentlich ist unten besseres Wetter...

>>> Fortsetzung: Reisetagebuch Italien - Lombardei und Venetien

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